Zum vierten Mal veröffentlicht Michael Giacchino bei Colosseum Music Entertainment einen Soundtrack zu LOST, diesmal aufgrund der kürzeren Staffel wieder als Einzel-CD mit 26 Tracks. Lohnt sich der Kauf des vierten Albums noch, oder kennt man doch schon alles? Wir haben die CD für euch genau analysiert.

Neben dem obligatorischen Gruppenfoto der aktuellen Staffel als Front-Cover des Soundtracks sind auf der Rückseite neben der Titelliste mit den 26 Musikstücken die Oceanic 6 auf der Pressekonferenz abgebildet. Somit wird gleich deutlich gemacht, in welche neue Richtung sich die 4. Staffel bewegt hat. Das CD-Cover selbst ist ein Logo der Oceanic-Fluglinie. Das beiliegende 12-seitige Booklet ist ein Sammelsurium von Promo-Fotos, welche ausschließlich Handlungen auf der Insel und dem Frachter aufzeigen, wodurch die Gegenwartshandlung der Staffel deutlich gemacht wird. Neben der Auflistung der Episoden und des Orchesters gibt es noch ein kleines „Vorwort“ von Robert Townson, der nochmal nahe legt, wie brillant die Kompositionen von Michael Giacchino sind, der der Serie seit Anbeginn seine musikalische Note aufgesetzt hat.

78 Minuten voller Ideen und Variation

Nach „01. Giving Up The Ghost“, Hurleys Odyssee durch den Dschungel mit mystischen Klängen, und „02. Locke’ing Horns“ mit seiner bewegenden Rede über seinen Freund Charlie, die durch die seit Staffel 1 bekannte „Life & Death“-Melodie nochmal aussagekräftig betont wird, folgen zwei klasse Stücke aus „The Constant“.


 
„05. Time And Time Again“ ist das Frachter-Thema, welches zum ersten Mal vorgestellt wird. Nachdem das Orchester recht zaghaft seine Streicher einsetzt, um das den Protagonisten noch Unbekannte näher zu bringen, erfolgt mit dessen Aufdeckung, ein sagenhaftes Crescendo, welches im Zusammenspiel mit einer intensivierten Dynamik zu einem Klimax aufkeimt und den Ort offenbart, der für die Zukunft der Insel eine entscheidende Rolle spielen wird. Die episch-anmutende Melodie ist zwar kurz, aber äußerst prägnant und sicherlich – wie der Titel es vielleicht schon impliziert – zeitlos für diese Staffel.

Der darauffolgende Track „06. The Constant“ ist das schon bekannte Penny-Desmond-Thema, der mit seinen sanften Tönen und der wunderschönen Melodie ein Lächeln auf das Gesicht zaubert, da man unweigerlich beim Hören dieses Stücks, wieder an die toll gespielte, herzzerreißende Szene zwischen dem liebenden Paar erinnert wird.

Die nächsten drei Titel sind der eher mittelmäßigen Folge „Ji Yeon“ gewidmet und durch das Hören merkt man, wieso man die Folge vielleicht nicht völlig schlecht fand. Hektische Klänge wechseln sich mit ruhigen Noten ab, und immer wieder scheinen dabei altbekannte Töne vergangener Staffeln hindurch - Under The Knife (S3), Rose & Bernard (S2) und Life And Death (S1) – sodass man nach der traurigen Grabrede von Sun erkennt, dass in LOST mit der Musik jedes Ereignis immer wieder in einer neuen Variation vorkommen kann und kein Moment wirklich in Vergessenheit gerät. Die verschiedenen Melodien repräsentieren damit eine Kontinuität und einen Leitfaden, der sich durch die ganze Serie zieht.

Nach dem Ausflug auf dem Frachter erwarten uns mit den drei Stücken zur Folge „The Shape Of Things To Come“ weitere Highlights. Während „11. Bodies And Bungalows“ eindrucksvoll die Action-Szene im Others-Dorf unterstreicht und „12. Benundrum“ die Denkprozesse von Ben & Co. auditiv in Szene setzt, um einen

 
Plan gegen die Bedrohung durch die Söldner zu erarbeiten, gibt es mit „13. Hostile Negotiations“ die letzte Szene mit Alex. Denn wie es der Titel vermuten lässt, ist es der Moment als Ben als Verhandlungspartner versagt. Zu Beginn des Stücks gibt es wieder die „sich belauernden“ Töne, die die Konversationen mit Keamy unterstreichen. Als Alex hinzugezogen wird, kommen die Streicher zum Einsatz. Und damit entsteht eine Gänsehaut, wie man sie nur selten erlebt, da sie mit einer ausdrucksstarken Melodie von Bens Thema (Dharmacide) immer schneller und lauter werden und letztendlich in einem Desaster für Ben endet. Die Machtlosigkeit, die Ben widerfährt, wird in diesen Sekunden eindrucksvoll deutlich gemacht und hinterlässt einen Schauer, aber auch Mitgefühl für ihn zurück. Mit „14. Locke-About“ und für dessen Charakter typischen mystischen Klänge seiner Centric-Folge findet die musikalische Untermalung der normalen Folgen ihren Abschluss und die letzten 12 Titel gehören dem 3-teiligen Finale an.

There’s no Place Like Home

Hier stechen besonders „15. There’s No Place Like Home“ und „18. Of Mice And Ben“ hervor. Beide repräsentieren die Rettung der Oceanic 6 und spiegeln eine Aufbruchsstimmung wider, die Hoffnung und Glaube versprüht. Auch durch den schon routiniert wirkend einsetzenden Crescendo wird das Gefühl von Freiheit regelrecht in die Ohren der Hörer hinein gespielt. Nicht zufällig wird man an die Szenen mit dem Aufbruch des Floßes aus Staffel 1 erinnert, wirken beide Melodien doch recht ähnlich. Dennoch ist mit den selben Klängen in der Schlussszene,

 
und dem Zeigen aller Protagonisten an den verschiedenen Orten auf der Insel, ein vielversprechender Abschluss für das darauffolgende Finale gegeben.

Die Musikstücke der letzten 2 Folgen repräsentieren ein ständiges Wechselbad an Melodien. Vom actionversprühenden Begleitorchester, nervenzerreisender Anspannungsmusik bis hin zu den ruhigen Momenten ist beinahe alles vertreten. Vereinzelt tauchen auch immer wieder bekannte Melodien - Kate-Sawyer (Romancing The Cage), die altbekannte Wander- und Aufbruchmelodie – auf, die dann mit „23. Locke Of This Island“ einen letzten Höhepunkt finden. Bens Thema wird in einem imposanten, recht bedrohlichen wirkenden Orchestrierung variiert, so dass der Hörer unweigerlich an seinen Verlust von Alex‘ zurückdenken muss, da es jene gleiche emotionale Untermalung besitzt. Und am Ende setzen wieder die vereinzelten Töne der Instrumente ein, die kleinlaut das Verschwinden der Insel erzählen.

Und am Ende des Soundtracks finden wir mit „25. Landing Party“ auch das altbekannte „Raft-Theme“ wieder, wenn die Oceanic 6 endlich die Zivilisation erreichen und das Gefühl von einem Sieg durch die ausdrucksstarken Streicher in der Luft weht. Die Freiheit und die Rettung zum Abschluss des Finales werden mit jeder einzelnen Note stimmungsvoll untermauert.

Unser Fazit

Der Soundtrack ist mit über 78 Minuten reiner Spielzeit mit einigen neuen Kompositionen, aber auch vielen alten Stücken in neuen Variationen bestückt, sodass es am Ende nicht einmal mehr für den sonst obligatorisch eingefügten Main und End Title gereicht hat. Dies tut der Sache aber keinen Abbruch, da somit mehr Zeit für die intensiven und emotionalen Melodien bleibt, die die vielen besonderen Szenen der vierten Staffel würdevoll begleitet haben und sie somit noch authentischer hat wirken lassen. Die Produzenten haben bei der Namenswahl der Titel wieder viel Fantasie mit einbringen lassen, um den Hörer einen gewohnt hochwertigen Soundtrack einer Fernsehserie bieten zu können.

Zwar ist es nicht zu leugnen, dass viele Melodien bekannt vorkommen, aber gerade das macht den Reiz aus, Motive, Szenen und Dialoge in der Serie durch die vielen Variationen und Themen wiederzuerkennen, mitzufiebern und mitzuleiden. Und durch die Erschaffung neuer Kompositionen, die das Gesamtwerk noch mehr perfektionieren, sei jedem Fan von LOST dieser Soundtrack wärmstens ans Herz gelegt.